Programmheft Chronicles

Editorial

17. Oktober 2014 – der Vorhang hebt sich für die allererste Vorstellung des neu gegründeten Hessischen Staatsballetts. Der Beginn einer Reise voller Spannung und Erwartungen für uns so- wie die tanzbegeisterten Communities in Wiesbaden, Darmstadt und darüber hinaus.

Zehneinhalb Jahre später überlegten wir, wie wir diese bemerkenswerte Dekade voller Kreativität, wunderbarer Begegnungen und Erinnerungen feiern könnten. So entwickelten wir ein Programm, das trotz seines Namens Chronicles nicht zurückblickt. Statt einer bloßen Sammlung vergangener Höhepunkte wagt es, genau wie damals zur Gründung des Hessischen Staatsballetts, einen mutigen Schritt nach vorn. Entstanden ist ein galahaftes Programm, das den Geist von Innovation und Entdeckung in sich trägt und sowohl musikalisch als auch choreografisch vielfältige Sinneseindrücke bietet.
Chronicles umfasst nicht weniger als vier Uraufführungen,
ergänzt durch zwei bereits existierende Werke, und schafft so eine mitreißende und zukunftsweisende Feier unserer Reise. Diese sechs Kurzkreationen, choreografiert von sieben inspirierenden zeitgenössischen Tanzschaffenden, heben die bemerkenswerte künstlerische und technische Vielfalt im Talent unserer Tänzerinnen und Tänzer hervor.

Wir freuen uns umso mehr, dabei von den wunderbaren Orchestern beider Staatstheater begleitet zu werden, die wir stolz unser Zuhause nennen.

Ich wünsche Ihnen einen fantastischen Abend!

Bruno Heynderickx
Ballettdirektor

Das Programm

FAUNO

Choreografie, Bühne & Kostüme Liliana Barros

Musik Claude Debussy
Licht Tanja Rühl
Probenleitung Jaione Zabala Martin
Originalbesetzung 

Ramon John, Masayoshi Katori, Jorge Moro Argote, Tatsuki Takada

Dauer ca. 12 Min.

 

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Force Majeure

Choreografie, Bühne & Kostüme David Raymond & Tiffany Tregarthen
Musik Angèle David-Guillou
Piano Waldemar Martynel
Licht James Proudfoot
Probenleitung Jaione Zabala Martin

Originalbesetzung
(Für die Wiedereinstudierung in der Spielzeit 2024/25)

Greta Dato, Gorka Duran Villar, Ramon John, Sayaka Kado, Kenedy Kallas, Masayoshi Katori, Bridget Lee, Mei-Yun Lu, Marcos Novais, Yamil Ortiz, Alessio Pirrone, Anthony Michael Pucci, Rita Winder

Dauer ca. 17 Min.

 

 

 

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Bouffées

Choreografie, Kostüme & Licht Leïla Ka
Probenleitung Uwe Fischer, Bruno Heynderickx

Originalbesetzung
 (Für die Wiedereinstudierung am Hessischen Staatsballett)

Daniela Castro Hechavarría, Sayaka Kado, Kenedy Kallas, Meilyn Kennedy, Rita Winder

Dauer ca. 13 Min.

Weltpremiere Bouffées am 12.6.2022 in Paris

 

 

 

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Holding Space

Choreografie & Bühne Anouk van Dijk

Musik David Lang, Steve Reich
Kostüme Jessica Helbach
Licht Tanja Rühl
Probenleitung Allison Brown
Originalbesetzung

Milica Mučibabić, Marcos Novais, Anthony Michael Pucci

Dauer ca. 13 Min.

 

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Moonfall

Choreografie & Bühne Dunja Jocić
Musik Michael Gordon, Renger Koning
Kostüme Ivana Vasić
Kostümassistenz Janine Schwind
Licht Tanja Rühl
Probenleitung Allison Brown

Originalbesetzung

Peng Chen, Greta Dato, Ramon John, Meilyn Kennedy, Bridget Lee, Milica Mučibabić, Marcos Novais, Anthony Michael Pucci, Vanessa Shield, Tatsuki Takada
 
Dauer ca. 11 Min.

 

 

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The Mass Ornament

Choreografie Fran Díaz, in Kollaboration mit den Tänzer:innen
Choreografische Assistenz Keren Leiman
Musik Henryk Górecki
Zusätzliche Komposition/Sounddesign Tom Foskett-Barnes
Cembalo Waldemar Martynel
Bühne & Kostüme Fran Díaz
Beratung Bühnenbild Manuel Cornelius
Kostümassistenz Janine Schwind
Licht Tanja Rühl
Probenleitung Jaione Zabala Martin
 
Originalbesetzung

Enzo Boffa, Daniela Castro Hechavarría, Alessio Damiani, Gorka Duran Villar, Sayaka Kado, Kenedy Kallas, Masayoshi Katori, Mei-Yun Lu, Jorge Moro Argote, Yamil Ortiz, Luke Watson, Benjamin Wilson, Rita Winder

Dauer ca. 12 Min.

 

 

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Musikalische Leitung (Wiesbaden) Albert Horne
Musikalische Leitung (Darmstadt) Alice Meregaglia
Dramaturgie Lucas Herrmann

Es spielen das Hessische Staatsorchester Wiesbaden und das Staatsorchester Darmstadt.

 

 

WI Uraufführung 16.2.2025, Großes Haus

DA Premiere 5.4.2025, Großes Haus

Tanzchroniken

Tanz ist, wie die Geschichte, eine Chronik – ein sich entfaltendes Zeugnis von Bewegung, Emotion und Zeit. Doch anders als zwischen Buchseiten gebannte Worte ist der Tanz vergänglich. Er existiert nur im Moment, verschwindet, sobald er erscheint und hinterlässt seine Spuren in Erinnerungen und Eindrücken.

Chronicles zeigt sechs zeitgenössische Tanzstücke von sieben Choreograf:innen in einem dreiteiligen Abend. Keine der Kreationen dauert länger als 20 Minuten. Es entsteht ein bewegtes Gesamtgemälde, gerahmt von einem offenen Bühnenraum und begleitet von der live eingespielten Musik der beiden Staatsorchester in Wiesbaden und Darmstadt. Das Musikrepertoire vereint unterschiedliche Werke von Größen aus der Klassik und Minimal Music sowie experimentelle Kompositionen. Es wird mit diesen Chroniken des Tanzes sowohl in choreografischer als auch musikalischer Hinsicht ein breiter Bogen geschlagen.

 

Photo Credit: A. Etter

 

Den Reigen eröffnet FAUNO von Liliana Barros. Die portugiesische Choreografin setzt sich mit einem ikonischen Stoff aus der Literatur-, Musik- und Ballettgeschichte auseinander. Im Mittelpunkt steht die Geschichte des Fauns, die basierend auf dem symbolistischen Gedicht L’Après-midi d’un faune („Der Nachmittag eines Fauns“) von Stéphane Mallarmé aus dem Jahr 1876 sowohl Claude Debussy 1894 zu seinem Musikstück Prélude à l’après-midi d’un faune und Vaslav Nijinsky 1912 zu seinem Ballett L’Après-midi d’un faune inspiriert hat.
Barros interessiert an dem Stoff, wie kunstübergreifend die Strömung des Symbolismus Träume und Tabus als Reaktion auf Spiritualität nutzt und mittels Mythen das Mysteriöse und Unausgesprochene heraufbeschwört. Sie fragt danach, welche Bedeutung diese symbolischen Figuren heute noch haben und wie diese im Zeitalter des Anthropozäns interpretiert werden können.

 

Photo: A. Etter

 

In Force Majeure erforschen David Raymond & Tiffany Tregarthen die Idee eines existenziellen Ausgeliefertseins gegenüber einer äußeren Kraft, die zugleich tief in uns selbst verankert sein kann. Sie stellen sich die Frage, ob und inwieweit uns diese unvorhersehbare Variable in der Gleichung des menschlichen Lebens über Epochen hinweg immer wieder begegnet und wie unser inneres Klima mit diesem äußeren Klima verknüpft ist. Sie streben nach einer Harmonie von Formung und Auflösung – dem Pakt zwischen Schöpfung und Zerstörung als treibender Kraft für Veränderung in uns selbst, in unseren Beziehungen zueinander, zur Welt um uns herum und zu unserer Zukunft. Das Stück des kanadischen Duos mit Kompositionen der Französin Angèle David-Guillou lief als Neukreation für das Hessische Staatsballett bereits in der Spielzeit 2022/23 am Staatstheater Darmstadt. Im Rahmen von Chronicles wird ein Ausschnitt der Choreografie zu den beiden Musikstücken Forgetting Trees und Exocet von David-Guillou wiedereinstudiert.

 

Photo: A. Etter

 

Bouffées von Leïla Ka ist eine Wiedereinstudierung der freien Produktion der französischen Choreografin. Das preisgekrönte Stück aus dem Jahr 2022 zeigt fünf Frauen gefangen im Griff einer Trauer, deren Gründe unbekannt sind, aber vielfältig erscheinen. Gefühle von Überwältigung und Befreiung halten sich die Waage beim gleichzeitigen Versuch, den aufkeimenden Kummer in die Kraft des Lebens zu verwandeln. Aufgereiht in geblümten Kleidern entwickelt sich eine körperlich-klangliche Kakophonie der fünf Körper, die Atem, wiederkehrende Gesten und ein Rhythmus des Fallens und Wiederaufstehens vereint.

 

Photo: A. Etter

 

In Holding Space ergründet Anouk van Dijk die Kraft von drei Körpern im Raum.
Für die niederländische Choreografin ist es nach ihren erfolgreichen abendfüllenden Produktionen das erste Kurzstück in 25 Jahren. Zur Grundlage ihrer zweigeteilten Choreografie wählt sie die Violinstücke After Sorrow von David Lang aus dessen Musikzyklus Mystery Sonatas und Duet von Steve Reich. Fasziniert von der engen, aber dennoch offenen Struktur beider Kompositionen – die zwischen geistig-spirituellem Barockeinfluss und mathematischer Konstruktion oszillieren – entfaltet van Dijk im Verbund von Tanz und Musik eine unaufhaltsame Dynamik, deren vermeintliche Einfachheit sich durch ihre Komplexität auszeichnet. Ähnlich divergent – sich mal öffnend, dann wieder schließend – agiert der Raum im Zusammenspiel mit Licht und Choreografie.

 

Photo: A. Etter

 

Dunja Jocić setzt sich in ihrem Stück Moonfall mit Extremsituationen auseinander.
Vor dem Hintergrund gegenwärtiger gesellschaftspolitischer Krisen untersucht die serbisch-niederländische Choreografin das Verhältnis von Individuum und Kollektiv im Prozess von Umsturz und Wiederherstellung. Dabei interessieren sie besonders die Wahrnehmung und das Handeln von Menschen im Modus der Alarmbereitschaft. Jocić arbeitet mit den Musikstücken Rewriting Beethoven’s Seventh Symphony Part 1 von Michael Gordon und The Whole’s Gone Missing von Renger Koning. Im zweiteiligen Aufbau ihrer Choreografie nutzt sie den spannungsvollen und zuweilen chaosbeschwörenden Charakter der Musik, um die fragilen und zu-
gleich unvorhersehbaren Akte im Kampf von Akzeptanz und Auflehnung zu versinnbildlichen.

 

Photo: A. Etter

 

In The Mass Ornament reflektiert der spanische Choreograf Fran Díaz schließlich einen Aspekt aus Siegfried Kracauers 1963 erschienenen Essayband Das Ornament der Masse. Der Philosoph im Umfeld der Frankfurter Schule beschreibt am Beispiel der Revuetruppe Tiller Girls aus den 1920er Jahren die Rationalisierung von Körpern als sozialökonomischem Ausdruck der Massenproduktion. Díaz übersetzt diesen Gedanken in die heutige Zeit und nutzt choreografisch ein breites Spektrum an Formationen. Zur unerbittlichen Musik von Henryk Góreckis Concerto for Harpsichord and String Orchestra Op. 40 und einer zusätzlichen Komposition von Tom Foskett-Barnes gliedert Díaz sein Stück in drei Abschnitte. Präzision, Bewusstheit und Verausgabung charakterisieren in der Choreografie das Selbstopfer für das Ganze. Bei allem Konformitätswahn bleibt ein Kuss da manchmal eine letzte Bastion der Menschlichkeit.

Drei Fragen an…

 

Photo: A. Etter

Drei Fragen an die Choreografin Liliana Barros

Welchen Ansatz verfolgst du bei der Erforschung der Figur des Fauns?

Ich vertiefe Konnotationen des Grotesken, des Außergewöhnlichen und der Unvollkommenheit. Die Figur in FAUNO beschreibt ein Individuum, das den Zustand seiner Seele über Metapher und Symbolismus hinaus reflektiert. Es geht um das Freilegen von Schichten emotionaler Zustände, die von Selbstzweifeln und einem Gefühl der Unvollständigkeit belastet sind. Ihre Gedanken bewegen sich durch eine düstere Unterwelt, gezeichnet vom Verlangen nach Zugehörigkeit, auf der Suche nach einer Identität, die sich in verschiedene Selbstbilder vervielfältigt – ein Versuch, Freiheit zu erlangen.

In welchem Verhältnis stehen Musik und Choreografie in deiner Arbeit?

Ich gebe der Choreografie Vorrang. Wenn ich mit einer bereits existierenden Komposition arbeite, ist es für mich essenziell, eine starke Verbindung zum Stück zu spüren, da es einen enormen Einfluss auf meine Arbeitsweise hat. In FAUNO bietet Debussys wunderbare Partitur die ultimative Klanglandschaft für dieses Stück. Die spannende Herausforderung bestand darin, eine kontrastierende Ebene hinzuzufügen. So existieren zwei künstlerische Ausdrucksformen gleichzeitig, die interagieren.

Die Kostüme konterkarieren ein Stück weit die tänzerische Interpretation.
Warum dieser Gegensatz?

Ich suchte nach einer Möglichkeit, der Idee des Verbergens emotionaler Zustände zu widersprechen. Fast wie bei einem Spiegeleffekt wollte ich etwas finden, das letztlich die Exzentrik und Übertreibung der Figuren enthüllt und damit die Angst vor der Sichtbarmachung der inneren Dunkelheit konterkariert. Das Kostümdesign trägt also eine gewisse Show-Atmosphäre in sich, die im Kontrast zum undurchsichtigen inneren Zustand der Figuren steht. Wie ein Kristall, der dem Licht ausgesetzt ist, reflektiert es in viele Richtungen.

Liliana Barros

Die Portugiesin Liliana Barros ist eine unabhängige Choreografin mit Wohnsitz in Deutschland. Nach ihrer Tanzausbildung bei CODARTS in Rotterdam wurde Barros u.a. an der sizilianischen Compagnia Zappalá Danza, der Pretty Ugly Dance Company Köln, dem Ballett des Saarländischen Staatstheaters und der Compagnie Marie Chouinard in Montreal engagiert.

Als freie Choreografin kreierte Barros mehrere Auftragsarbeiten für Kompanien wie Tanz Nationaltheater Mannheim, das Ballett des Saarländischen Staatstheaters, Gauthier Dance, die MiR Dance Company, die Tanzcompagnie am Theater Osnabrück, das Nederlands Dans Theater 2, für Tanz_Kassel am Staatstheater Kassel sowie das Staatsballett Hannover.

Ihre choreografischen Arbeiten zeichnen sich durch eine intensive szenische Atmosphäre aus, in der sich die elegante Plastizität des Körpers mit technischen Elementen des Tanzes in dekonstruierter Form verbindet. Zu ihren freien Produktionen gehört NERVURE, ein hochgelobtes Solowerk, das mehrere internationale Preise gewann und weltweit auf Tournee ging, sowie MEMORABILIA und TECHNO FAUNA, für die Barros vom Land Niedersachsen und verschiedenen anderen deutschen Stiftungen gefördert wurde. TECHNO FAUNA wurde 2022 überdies von der Stiftung Niedersachsen als eine der herausragendsten Produktionen des freien Theaters in Niedersachsen nominiert und auf dem Best OFF Festival in Hannover gezeigt. FAUNO ist ihre erste Arbeit für das Hessische Staatsballett.

 

 

Drei Fragen an die Choreograf:innen David Raymond & Tiffany Tregarthen

In Chronicles präsentiert ihr einen Auszug aus eurer Kreation Force Majeure.
Inwiefern nähert ihr euch dem Material auf eine neue Weise?

Unser damaliger Prozess legte großen Wert darauf, die Tänzer:innen in unsere physischen Interessen einzuführen – die Transformation von Gewicht, Flugbahn, Momentum und Kraft. Wir wollen nun stärker auf die Bildsprache eingehen und die Imagination der Tänzer:innen in Bezug auf den Raum in ihnen, zwischen ihnen und um sie herum fördern. Da wir sie und das Werk selbst nun viel besser kennen, suchen wir nach einer Poesie im Detail und nach der Möglichkeit, mehr von deren einzigartiger Individualität in die Arbeit einfließen zu lassen.

Wie übersetzt ihr das existenzielle Thema einer „höheren Gewalt“ ästhetisch in eurem Stück?

Durch eine unendliche Harmonie von Formung und Auflösung. Diese drückt sich im Körper, in der Gruppe und im Bühnenbild aus. Dabei spielt die Beziehung zwischen innerem und äußerem Klima eine wichtige Rolle. Die Tänzer:innen bleiben in einem Zustand des Wandels. Sie sind miteinander und mit den Elementen durch ein psychisches Bindegewebe verbunden. Licht, Bühnenbild und Requisiten dienen als Hyper-Objekte jenseits der Zeit und des menschlichen Maßstabs. Kraft und Stärke manifestieren sich dabei in Form offengelegter Fragilität.

Ihr arbeitet mit Musik der Komponistin Angèle David-Guillou.
Welche Rolle spielt sie in eurem kreativen Prozess?

Angèles Musik ist wahrhaft eine Musik zum Tanzen. Sie war der inspirierende Ausgangspunkt und der Leitfaden für das Werk. Sie bietet sowohl die Größe des Kosmischen als auch die Tiefe der inneren Welt. Ihre Musik verbindet uns mit der geheimnisvollen, unerklärlichen Beziehung zwischen Natur und Kosmos. Darüber hinaus erschafft Angèle die Atmosphäre einer Filmmusik – das Gefühl mehrerer verbundener Zeitlinien in verschiedenen Dimensionen, die einander beeinflussen.

 

David Raymond & Tiffany Tregarthen

Nachdem das kanadische Choreograf:innenenduo 2004 zum ersten Mal zusammengearbeitet hatte, verbrachte es einen zweijährigen Residenzaufenthalt in Antwerpen, Belgien, um seine kreative Partnerschaft fortzusetzen und individuelle Bewegungssprache weiterzuentwickeln. Ihre Studien und frühen Karrieren führten sie nach New York, Südkorea, Brasilien, die Niederlande, Tschechien und Italien, wo sie an Institutionen wie der LondonSchool of Contemporary Dance, der Rotterdamse Dansacademie, der Fontys Dansacademie, der Hansung University und der New York University arbeiteten.

Sie tanzten unter anderem mit Justine A. Chambers, Company 605, Wen Wei Dance und Beijing Modern Dance Company. Beide haben lange mit Crystal Pites Kompanie Kidd Pivot zusammengearbeitet, u.a. an den mit dem „Olivier Award“ ausgezeichneten Werken Betroffenheit und Revisor. Im Jahr 2007 gründeten sie ihre eigene Kompanie Out Innerspace Dance Theatre in Vancouver auf indigenem Gebiet der Coast Salish Völker. Entschlossen, über die traditionelle Ästhetik hinauszugehen, fordern sie mit dem Out Innerspace Dance Theatre die Möglichkeiten des zeitgenössischen Tanzes durch Forschung und Experimentieren heraus.

Seit 2021 choreografieren sie Werke für große Kompanien wie Ballet BC oder das Nederlands Dans Theater 2. Ihr Erfolgsstück Bygones tourt seit 2019 weltweit in über 30 Städten und 14 Ländern. Ihre Choreografien wurden mit dem „CanDance Creation Fund 2014“ und dem „Crystal Dance Prize 2019“ ausgezeichnet. Sie erhielten für drei Jahre den Titel „Associate Artist of Agora de la Danse“ in Montreal. Darüber hinaus bieten sie im Rahmen ihres Ausbildungsprogramms Modus Operandi neben ihrer künstlerischen Arbeit Impulse für Tanzentwicklung und individuelles Mentoring, das bisher einige der radikalsten und inspiriertesten jungen Tanzkünstler:innen Kanadas hervorbrachte.

James Proudfoot

Der Lichtdesigner und Beleuchtungsdirektor James Proudfoot lebt in Vancouver, Kanada.
Er stammt ursprünglich aus Edinburgh, Schottland, wo er seine erste Theaterausbildung erhielt.
Als Autodidakt auf dem Gebiet der Tanzbeleuchtung hat er in den letzten 25 Jahren für viele Künstler:innen und Kompanien Lichtkonzepte entwickelt. Neben einer kontinuierlichen Kollaboration mit dem Out Innerspace Dance Theatre arbeitete er unter anderem mit Ballet BC, Beijing Modern Dance Company, Justine A. Chambers, Company 605, Joe Ink, Action at a Distance und Wen Wei Dance zusammen. Proudfoot ist dankbar dafür, auf den Territorien der xwm kw y’ m (Musqueam), Skwxwú7mesh (Squamish) und Sel’íl’witulh (Tsleil-Waututh) Nationen zu leben und zu arbeiten.

 

Photo: A. Etter

 

Photo: A. Etter

 

Photo: A. Etter

Drei Fragen an die Choreografin Leïla Ka

Du arbeitest in Bouffées ausschließlich mit Tänzerinnen.
Welche Perspektive nimmst du auf sie ein?

Ich erforsche ihre Stärke, Zerbrechlichkeit und Widerstandskraft. Es geht um rohe Energie, nicht um Klischees.

Kannst du deinen choreografischen Ansatz
kurz beschreiben?

Instinktiv, körperlich, emotional. Die Bewegungen kommen von innen – drängend, notwendig.

Welche Bedeutung haben die Kostüme für dich in dem Stück?

Sie formen Identität, Bewegung, Transformation. Kein schmückendes Beiwerk, sondern Ausdruck.

 

Leïla Ka

Die Französin Leïla Ka hat es innerhalb weniger Jahre geschafft, zu einer der gefragtesten Choreografinnen ihrer Generation zu werden.
Ihre Tanzkunst ist zugleich kraftvoll, theatralisch und präzise.

Ka fand ihren Einstieg über den urbanen Tanz und beschritt bewusst einen unkonventionellen Weg abseits akademischer Traditionen. Nach ihrer Mitwirkung in Maguy Marins gefeiertem Stück May B begann sie, ihre eigenen Choreografien zu kreieren, inspiriert von urbanen und zeitgenössischen Einflüssen. Nach dem internationalen Erfolg ihrer ersten drei mehrfach preisgekrönten Stücke – der Solo- und Duettstücke Pode ser, C’est toi qu’on adore und Se faire la belle – kreierte Ka mit
Maldonne ein Gruppenstück, das 2024 für den Inter- national Dance Prize am Saddler’s Wells in London nominiert wurde. Derzeit ist sie assoziierte Künstlerin des CENTQUATRE – Paris, der scène nationale de Cavaillon und der scène nationale de Dieppe.

Die Wiedereinstudierung ihres Stücks Bouffées, für das sie 2022 den ersten Preis beim internationalen Wettbewerb Danse Élargie des Théâtre de la Ville de Paris gewann, ist die erste Zusammenarbeit von Ka mit dem Hessischen Staatsballett.

Drei Fragen an die Choreografin Anouk van Dijk

Du setzt dich mit zwei sehr unterschiedlichen Violinstücken von David Lang und Steve
Reich auseinander. Wie stehen diese beiden Werke in Beziehung zu deiner Choreografie?

Langs Musik bewegt sich in die Tiefe, wie vertikale Kräfte, die die Tänzer:innen sanft nach unten drücken, während sie versuchen aufzusteigen. Reichs Musik hingegen ist wie sich öffnende Fenster: eine end- lose Panoramalandschaft, die sich horizontal entfaltet. Diese gegensätzlichen Atmosphären durchdringen die Körper der Tänzer:innen und erzeugen eine sich ständig weiterentwickelnde Kette von Ereignissen, die vertraute Muster neu ausrichten und in einem Zustand ständiger Veränderung halten.

Kannst du deine Arbeitsweise mit den Tänzer:innen im Rahmen der von dir
entwickelten Countertechnique kurz beschreiben?

Mich interessiert eine dreidimensionale Bewegungssprache, die die Tänzer:innen in den unendlichen Raum um sie herum einbindet. Die Countertechnique hilft ihnen, die Spannung zwischen Freiheit und Kontrolle, zwischen den Grenzen des Körpers und seinem grenzenlosen Potenzial zu halten. Dieses Gleichgewicht, gleichsam eine Dichotomie, hat mich schon immer fasziniert, und ich nutze diese Methodik, um mit den Tänzer:innen die Freiheit innerhalb ihrer physischen Grenzen zu erkunden.

Welchen Einfluss haben Kostüme und Bühnenbild auf deinen choreografischen
Prozess?

Die Spannung zwischen dem physischen Raum und dem Individuum ist für mich der Ausgangspunkt. In Holding Space wird die Bühne zu einer weiten Leere, in der die Tänzer:innen verloren wirken – wie fragile Blumen, die in einer der Welt entrissenen Natur dennoch standhaft bleiben. Jessica Helbachs Kostümdesigns erschaffen immer wieder einzigartige Wesen und erforschen die Spannung zwischen dem Natürlichen und Künstlichen, dem Persönlichen und Politischen. Jedes Mal fordern sie mich heraus, meine eigene Arbeit aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

 

Photo: A. Etter

Anouk van Dijk

Die Niederländerin Anouk van Dijk ist Choreografin, Regisseurin und Schöpferin der Countertechnique. Von 2012 bis 2019 war sie Künstlerische Leiterin der führenden australischen Tanz- kompanie Chunky Move und leitete von 1999 bis 2011 ihre in Amsterdam ansässige Kompanie anoukvandijk dc. Von architektonischer Pracht bis zu reduzierter Minimalistik, von Spektakel bis zu Intimität inszeniert van Dijk ihre Werke in einer Vielzahl von Kontexten, die vom Blackbox-Theater über große Bühnen mit Pros- zenium bis zu ortsspezifischen Arbeiten reichen. Dabei positioniert sie die fragile, aber kämpferische menschliche Figur in einer instabilen, sich ständig verändernden Welt. Im Zentrum von van Dijks künstlerischem Schaffen steht die Countertechnique, ein von ihr entwickeltes Bewegungssystem, das Tänzer:innen praktische Werkzeuge für eine vielseitige Tanzpraxis im 21. Jahr- hundert bietet – mit dem Fokus auf den Prozess, Informationen in Handlung umzusetzen. Van Dijk hat disziplinübergreifend mit Künst-
lern wie Ho Tzu Nyen (Singapur), Theun Mosk (Niederlande), Marg Horwell (Aus-
tralien) und Ian Strange (USA/Australien) zusammen- gearbeitet. Ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem deutschen Schriftsteller und Regisseur Falk Richter hat bisher sieben abendfüllende Werke hervorgebracht, darunter TRUST (Schaubühne Berlin), RAUSCH (Schauspielhaus Düsseldorf) und TOUCH (Münchner Kammerspiele).

Seit 2019 arbeitet Van Dijk international als freischaffende Choreografin und hat Werke unter anderem für das Staatsballett Berlin, die Münchner Kammerspiele und das Skanes Dansteater (Schweden) geschaffen. Im Jahr 2012 wurde sie mit dem Swan Award, der renommiertesten Tanz-Auszeichnung der Niederlande geehrt – als Anerkennung für ihren heraus- ragenden künstlerischen und akademischen Beitrag zum Tanz in ihrem Heimatland. Ihre Bewegungstechnik Countertechnique ist weltweit bekannt geworden.

Jessica Helbach

Die niederländische Designerin, Künstlerin und Kuratorin
Jessica Helbach arbeitet in den Bereichen Theater, Tanz,
Kunst und Lehre. Ursprünglich als Modedesignerin und Künstlerin ausgebildet, verfolgte Helbach eine Vielzahl inter- disziplinärer Projekte, die sich hauptsächlich mit der Beziehung zwischen Kunst und Mode befassen. Ihre Designs, Ausstellungen und Kunstwerke basieren auf demselben Leitprinzip, bei dem Zeit als zyklisch anstatt linear wahrgenommen wird. Ausstellungen wie Six Yards im Museum Arnheim (2012) – als Mitglied des Künstlerkollektivs Suze May Sho – über die Vergangenheit und Gegenwart der Vlisco-Stoffe, sind beispielhaft für ihren Ansatz. Innerhalb der Ausstellung wurden die Stoffe gleichwertig zur modernen Kunst behandelt. Ein ähnlicher Ansatz wurde in der Ausstellungsreihe Moonshot im Valkhof Museum in Nijmegen (2022) in enger Zusammenarbeit mit Flos Wildschut angewandt, in der moderne Kunst und wissenschaftliches Erbe in Einklang präsentiert wurden. Helbach wurde 2003 Mitglied des Künstlerkollektivs Suze
May Sho, gemeinsam mit Connie Nijman und Rosell Heijmen. Das Kollektiv war ein Pionier im Bereich der Online-Ausstellungen, indem es www.projectprobe.net erfand und einen transhistorischen sowie multidisziplinären Ansatz für Design und Ausstellungsgestaltung entwickelte. Helbachs Arbeit als Kostümbildnerin – unter anderem für Anouk van Dijk und Nicole Beutler – spiegelt direkt ihr kontinuierliches Engagement für ein sich erweiterndes Feld von Disziplinen wider (Archäologie, Wissenschaft, Kulturerbe). Sie hat an einer Vielzahl von Produktionen für renommierte Häuser wie das Schauspielhaus Bochum, die Oper Malmö oder die Philharmonie Luxemburg mitgewirkt. Als Dozentin engagiert sie sich für den interdisziplinären Wissensaustausch und ist auf Crossover-Projekte spezialisiert.

Photo: A. Etter

Drei Fragen an die Choreografin Dunja Jocić

In Moonfall erzählst du von Herausforderungen unserer Zeit. Welche sind dies für dich?

Mich interessiert, wie gesellschaftliche Strukturen in schwierigen Situationen funktionieren. Ich kann den globalen Zustand der Welt nicht ignorieren, insbesondere in Bezug auf meine Herkunft. Die Art und Weise, wie Länder geführt werden – Macht, Manipulation, Chaos, Ordnung, Widerstand und Glaube, um nur einige Aspekte zu nennen – wurde zum zentralen Thema meiner choreografischen Auseinandersetzung. Ein wichtiger Aspekt ist für mich dabei der mentale Zustand in herausfordernden Zeiten und was es braucht, um zu überleben.

Inwieweit beeinflussen die Musiken von Michael Gordon und Renger Koning die
Entwicklung deines Stücks?

Normalerweise lasse ich die Musik während des kreativen Prozesses komponieren. Am Ende beginne ich sie dann zusammen- zusetzen, ähnlich wie beim Schneiden eines Films. In diesem
Fall stand die Musik von Anfang an fest, und ich wurde gleichsam von ihr geführt. Beide Werke besitzen eine starke innere Dramaturgie. Ich spiele mit deren Musikalität, indem ich sie manchmal als treibende Kraft für Bewegung, Komposition und Intensität nutze, während ich in anderen Momenten versuche, durch sie hindurchzugehen und eine zusätzliche Bewegungsebene zu schaffen, die unsere Wahrnehmung der Musik verändert.

Welche Rolle spielt das Bühnen- und Kostümdesign in deiner Arbeit?

Bühne und Kostüme waren die ersten Dinge, die mir klar vor Augen standen. Dieses weiße Bild war so präsent, dass ich es nicht loswerden konnte – und alle weiteren Elemente folgten daraus.
Die „Reinheit“ von Weiß und die Intensität des Themas erzeugen einen starken Kontrast. Die Kostüme wirken wie eine Rüstung – sie schaffen eine Einheit innerhalb des Kollektivs, während die Tänzer:innen dennoch als individuelle Charaktere mit ausgeprägten Persönlichkeiten erkennbar bleiben.

 

Dunja Jocić

Die serbisch-niederländische Choreografin Dunja Jocić war vor ihrer aktiven Tanzkarriere professionelle rhythmische Sportgymnastin und brachte es dabei zur Vize-Meisterin Jugoslawiens und Mitglied des jugoslawischen Olympiateams.

Jocić lebt in Amsterdam, wo sie seit 2016 ihre eigene Kompanie leitet. Ihre Arbeit wurde mit zahl-
reichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem renommierten Swan Award für die beste Tanzproduktion 2020/21 für The Panter. Neben den Produktionen ihrer eigenen Kompanie hat Jocić Werke für verschiedene Ensembles geschaffen, darunter die Spellbound Dance Company (Italien), Gauthier Dance, Club Guy & Roni (Niederlande), das Staatstheater Braunschweig, das Theater Bielefeld und das Stadttheater Osnabrück. Sie kreiert auch Werke für die Leinwand. Ihr Tanz- film Bird (2015) wurde für den Golden Kalf Award nominiert, den prestigeträchtigsten Filmpreis der Niederlande. Ihre neueste Arbeit wird im neuen Film von Peter Greenaway, Lucca Mortis, zu sehen sein, in dem Dustin Hoffman, Helen Hunt und Sofia Boutella mitspielen.

Moonfall ist ihre erste Kreation für das Hessische Staatsballett.

Ivana Vasić

Die Serbin Ivana Vasić wurde in Belgrad geboren. Nach einer vielseitigen klassischen Ausbildung mit Schwerpunkt auf deutscher Sprache und Literatur, ergänzt durch Ballett, Kunst und Sport, entschied sie sich, an der Akademie für Angewandte Kunst und Design in Belgrad Kostümdesign zu studieren. Bereits während ihres Studiums erhielt sie erste professionelle Aufträge.

Seit ihrem Masterabschluss im Bühnenkostümdesign hat sie an einer Vielzahl von Projekten sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene gearbeitet. Ihr Werk umfasst über 70 Theaterstücke, zahlreiche Filme und TV-Serien, Dutzende von Werbe-spots sowie Hunderte von Kostümdesigns für Werbezwecke und die HoReCa-Branche (Hotel/Restaurant/Café). Zu Vasićs bemerkenswerten Projekten zählen die Filme The Machine (Legendary/Sony Pictures), Tarot (Sony Pictures) und The Deal (Electric Entertainment); die TV-Serien Besa (Staffel 1), The Outpost (Staffeln 2, 3 und 4), The Ark (Staffeln 1 und 2) sowie The Librarians: TNC (Staffeln 1 und 2). Darüber hinaus entwarf sie Kostüme für den serbischen Pavillon auf der Expo Dubai 2020 sowie die offizielle Wettkampfausrüstung des serbischen Nationalteams im Wasserspringen.

Ihre Projekte erstrecken sich über verschiedene Genres, darunter mittelalterliche Fantasy, Science-Fiction, Actionkomödie, Horror, zeitgenössischer Krimi und Modedesign. Vasić trainiert Wasserspringen und bekleidet die ehrenamtliche Position der Generalsekretärin des Serbischen Wassersprungverbands.

 

Drei Fragen an den Choreografen Fran Díaz

Welchen Bezug hat dein Stück zu Siegfried Kracauers Das Ornament der Masse?

Mich interessieren Kracauers Ausführungen zur populären Unterhaltung, etwa die synchronisierten Tanzroutinen der Tiller Girls, als Spiegel der kapitalistischen Rationalisierung. Ihre geometrisch präzisen Choreografien reflektieren die mechanisierte Logik der Massenproduktion. Ich wollte ein menschliches „Massenornament“ in einem zeitgenössischen neoliberalen Kontext erschaffen – in einer Welt, die Individualität als radikal frei betrachtet, jedoch durch Wirtschaft und Technologie formt. Im Stückprozess entstand dabei ein Netzwerk aus Fürsorge und Zusammenarbeit, in dem Individualität und Kollektivität sich nicht widersprechen, sondern im Dialog stehen.

Wie entwickelst du deine Choreografie zur eher schnellen Musik von Henryk Górecki?

Góreckis Concerto for Harpsichord ist ein kurzes, aber intensives Stück mit zwei kontrastierenden Sätzen. Der erste, romantisch und doch mechanisch, steht im Gegensatz zur fragmentierten Choreografie. Der zweite, mit fieberhafter Energie, greift Kracauers Idee der Selbstauflösung innerhalb starrer Strukturen auf und spiegelt das Prinzip des Massenornaments wider.
Die Choreografie vermittelt zwischen diesen Gegensätzen in einem Interludium von Tom Foskett-Barnes, indem sie vom Chaos allmählich in geordnete Bewegung übergeht.

Welche Rolle spielen Bühne, Kostüme und Licht in deiner Arbeit?

Angesichts der Komplexität von Choreografie und Musik entschied ich mich für eine minimalistische Ausstattung. Besonders die Kostüme sind eine subtile Referenz an amerikanische Tanzensembles der 1980er Jahre – eine schlichte, zeitgenössische Silhouette, die sowohl als Uniform dient als auch Kracauers Bezug zur amerikanischen Kultur aufgreift.
Ich wollte eine Ästhetik erzeugen, die vage an A Chorus Line (1985) erinnert und eine Welt andeutet, in der Performance, Disziplin und Spektakel aufeinandertreffen.

 

Fran Díaz

Der spanische Choreograf Fran Díaz lebt in Deutschland. Er studierte an der National Ballet School of Canada in Toronto und arbeitete als Tänzer mit dem Leipziger Ballett und dem Staatsballett Hannover unter der Leitung von Marco Goecke. Danach widmete er sich dem Choreografieren. Seine Arbeit, die sich häufig in multidisziplinären Projekten manifestiert, befasst sich häufig mit dem Begriff der Gemeinschaft, dem Bedürfnis nach einem Gefühl der Zugehörigkeit oder der Neukonfiguration der eigenen physischen Räume und Grenzen. Er interessiert sich auch
für die Schnittstelle zur Queer-Kultur und die Gestaltung institutioneller Strukturen.

Im Jahr 2020 gewann er mit seiner Choreografie Toothpicks den dritten Preis beim Internationalen Choreografie- wettbewerb in Hannover, und 2021 war er mit seiner Choreografie I’ll do the talking Finalist beim Internatio- nalen Choreografiewettbewerb in Kopenhagen. Im Jahr 2023 brachte er The Habit, ein neues Stück für das Bayerische Staatsballett, zur Uraufführung sowie zwei weitere Neu- kreationen in der freien Tanzszene, Born by the Sea und Scheme, wobei letzteres die Herausforderungen des Strukturwandels durch die Untersuchung von Beschwerdeprozessen in Tanzinstitutionen untersucht. Mit Born by the Sea zählte Díaz zur Auswahl der TwentyArtists bei Spring Forward 2024 des europäischen Tanznetzwerks Aerowaves.

The Mass Ornament ist die erste Zusammenarbeit von Díaz mit dem Hessischen Staatsballett.

 

 

 

 

Photo: A. Etter

Musikalische Leitung & Licht

Tanja Rühl

Geboren und aufgewachsen in Deutschland, begann Tanja Rühl ihre Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik 1999 an der Oper Frankfurt (Städtische Bühnen Frankfurt) und wechselte 2002 zum Ballett Frankfurt unter der künstlerischen Leitung von William Forsythe.

Nach Neugründung der The Forsythe Company (2005) und mit Abschluss des Meisters für Ver- anstaltungstechnik, Fachrichtung Beleuchtung (2007), übernahm Rühl die Position der Beleuchtungsmeisterin der Kompanie. Im gleichen Jahr begann sie mit ersten Lichtdesigns für Tanzproduktionen, zunächst außerhalb der Kompanie, bald aber auch für Forsythe selbst.

Als Mitglied des Forsythe Productions Teams berät sie internationale Tanzkompanien bei der technischen und gestalterischen Umsetzung von Forsythe-Werken und arbeitet weiterhin als Designerin für seine neuen Projekte. Seit Juli 2014 ist Rühl als freiberufliche Lichtdesignerin für darstellende Kunst tätig und kollaboriert mit internationalen Choreograf:innen, Künstler:innen und Kompanien. Ihre bisherigen Arbeiten waren Bestandteil von Produktionen an Häusern wie
der Opéra Garnier, Paris, Brooklyn Academy of Music, New York, Tate Modern, London, Kawasaki Arts Center, Japan, Ruhrtriennale Jahrhunderthalle, Bochum und Taichung National Theater, Taiwan.

Neben ihrer Tätigkeit auf der Bühne unterrichtet Rühl Grundlagen des Lichtdesigns und gibt Einblicke in die technischen Aspekte der Bühnenbeleuchtung in Workshops, u. a. an der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt (HfMDK) in Frankfurt am Main.

 

 

 

 

 

Albert Horne

Der Südafrikaner Albert Horne studierte an der Guildhall School of Music and Drama in London. Von 2007 bis 2014 war er Chordirektor und Dirigent an der Oper in Kapstadt, Südafrika.
2013 erhielt er mit seinem Chor die Auszeichnung „Chor des Jahres“ bei den International Opera Awards in London. 2012 war Horne Chorleiter bei Gershwins Porgy and Bess mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle. Seit 2014 ist er als Chordirektor und Dirigent am Hessischen Staatstheater Wiesbaden engagiert.

Neben der Einstudierung des gesamten Chorrepertoires übernahm Horne hier bereits die musikalische Leitung von Candide (Bernstein), Madame Butterfly (Puccini), Boris Godunow (Mussorgski), Peter Grimes (Britten), La Bohème (Puccini), Schönerland (Uraufführung von Søren Nils Eichberg), Liliom (Ballett von Tim Plegge), Anna Nicole (Turnage), Babylon (Jörg Widmann), Il trittico (Puccini), Oryx and Crake (Uraufführung von Søren Nils Eichberg) und Follies (Stephen
Sondheim) sowie drei Sinfoniekonzerte und ein Neujahrskonzert mit dem Hessischen Staatsorchester. Zusätzlich zu seiner Position als Chordirektor übernahm er von 2022 bis 2024
die Position des Koordinierenden Musikalischen Leiters am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Als Orchesterdirigent arbeitete er u.a. mit dem Orchestra Victoria (Melbourne), dem Orchestre Pasdeloup (Paris) und an den Opernhäusern in Bordeaux, Malmö, Tel Aviv, London (ENO) und Cardiff (WNO). Als Gastdirigent stand er am Pult des Landesjugendorchesters Rheinland-Pfalz, mit dem er 2018 durch Deutschland, Südafrika und Botswana tourte.
Weitere Gastengagements führten ihn zu den Münchner Symphonikern im Gasteig und ins Prinzregententheater München sowie zur Rheinischen Orchesterakademie Mainz.

Als Klavierbegleiter trat er in den USA, Großbritannien, Australien, Frankreich, Schweden und Deutschland auf. In der Spielzeit 2024/25 dirigiert er am Hessischen Staatstheater Wiesbaden neben Chronicles auch Die Zauberflöte (Mozart) und Tosca (Puccini).

 

Alice Meregaglia

Die Italienerin Alice Meregaglia absolvierte ihr Studium am Konservatorium von Venedig und an der Universität Mailand, wo sie jeweils ein Klavierdiplom und einen Master in Musikwissenschaft erwarb. Anschließend erhielt sie mit Bestnote einen Master als Opernkorrepetitorin am Konservatorium von Mailand (in der Klasse von Umberto Finazzi) sowie ein Spezialisierungsdiplom in Orchesterleitung am Konservatorium von Straßburg.

Im Jahr 2012 trat sie dem Opéra Studio der Opéra du Rhin als Korrepetitorin und Assistentin des Dirigenten bei. 2016 ging sie ans Theater Bremen – zunächst als Chordirektorin und Vocal Coach, später auch als Dirigentin. Sie dirigierte zahlreiche Werke, darunter La rondine, La cambiale di matrimonio, L’occasione fa il ladro, Il trovatore, L’elisir d’amore, L’étoile, Don Giovanni, Le Nozze di Figaro, Così fan tutte, L’impresario Dotcom von Ľubica Čekovská, das Requiem von Fauré und die Messa a 4 voci von Puccini. Sie wird regelmäßig an internationale Opernhäuser eingeladen (u. a. Bregenzer Festspiele, Elbphilharmonie, Staatsoper Hamburg, Opéra national du Rhin, Norrlandsoperan) und arbeitet u.a. mit den Bremer Philharmonikern, dem Philharmonischen Orchester Nizza und dem Orchester des Slowakischen Nationaltheaters in Bratislava zusammen.

Zudem ist sie als Korrepetitorin in zahlreichen Meisterkursen tätig (u. a. mit Teresa Berganza, Luciana Serra, Renata Scotto, Anna Vandi, Elisabeth Wilke, Sylvie Valayre) und arbeitet mit Dirigenten wie Marco Comin, Mirga Gražinytė-Tyla, Marko Letonja, Klaus Mäkelä, John Nelson, Markus Poschner und Christopher Ward.

Meregaglia ist Preisträgerin des „Kurt-Hübner-Preises 2018“ und derzeit Chordirektorin und Dirigentin am Staatstheater Darmstadt. Dort übernimmt sie im März 2025 die musikalische Leitung von La Cenerentola (Aschenputtel) in der Regie Achim Freyers. Überdies unterrichtet sie Die Kunst des Rezitativs und Italienisches Repertoire an der Hochschule Bremen. Zur Spielzeit 2025/26 wird sie Chordirektorin an der Staatsoper Hamburg.

Sponsoren

 

Das Team

Ballettdirektor Bruno Hevnderickx

Ballettmeister:innen Alison Brown, Jaione Zabala Martin

Dramaturg Lucas Herrmann

Company Managerin Lisa Marie Heidrich

Produktionsleiterin Mara Eckert

Produktionsleiter Tanzplattform Rhein-Main Melchior Hoffmann

Technischer Produktionsleiter Dietmar Janeck

Inspizient / Ballettmeister Uwe Fischer

Leiterin Tanzvermittlung Nira Priore Nouak

Tanzvermittlung Ludmila Komkova

Ballettkorrepetitor Waldemar Martynel

Musikalischer Assistent Daniel Lett

 

Freunde des Hessischen Staatsballetts

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Freunde des Hessischen Staatsballetts e. V.
Christian-Zais-Strasse 3, 65189 Wiesbaden

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Vorsitzende: Dr. Gabriele Sophia Volmer