Snowballer

Ramon John

Konzept, Bühne, Kostüme & Licht: Ramon John

Kollaboration & Tanz: Manon Andral, Ramon John, Masayoshi Katori, Sayaka Kado, Matthias Vaucher, Kenedy Kallas

Musik: Nat „King“ Cole, The Comedian Harmonists, James Blake, Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, Francis and the Lights, Sergei Prokofiev

Dramaturgie: Johannes Schropp

Winter ist meine Jahreszeit. Die Zeit vergeht hier langsamer, sie friert ein, man kann sie fast rückwärts beschleunigen spüren. Wenn Erinnerungen materiell wären, würde ich sie im Winter freilassen. Das Eis würde sie kristallisieren, ihre Flüchtigkeit einfangen. Ich würde sie draußen, vor dem Wohnzimmerfenster im Garten der Fuldaer Straße 48, sorgfältig arrangieren, jeden Tag aufs Neue, und sie von meinem Sessel am lodernden Kamin beobachten. Während die Wärme des Feuers und der Decken unsere Körper nährt, würde das Eis die Erinnerungen lebendig werden lassen. Ich stelle mir vor, wie meine Erinnerungen zuhören, während im Wohnzimmer der Schallplattenspieler läuft. Wie sie uns allen beim Tanzen zusehen, wie wir gemeinsam die Erinnerungs-Eis-Skulptur im Garten erweitern, umsortieren, wie Teile der Skulptur ineinander schmelzen, wie aus meinen Erinnerungen unsere werden. Schließlich, wenn der Winter vorbei ist, sie in die Erde schmilzt, von wo eine dichte Gartenlandschaft entspringt, deren Duft, Form und Farbe flüchtig über drei Jahreszeiten an unser Zusammensein erinnert. Ich stelle mir dies alles vor, allein, in meinem Sessel vor dem Kamin. Das Feuer ist kalt, die Sommerhitze trocknet unseren Garten aus. Ein Ventilator bläst mir kalte Luft in den Nacken. Die Nadel auf der Schallplatte erinnert mich an den Schlitten, der die Spur der Musik entlangfährt. Den roten Schlitten, dessen Zeit gleichzeitig noch kommen wird und doch schon längst vorbei ist. Winter ist meine Jahreszeit.

Fotos: Tatsuki Takada